Hebammensituation in Deutschland “keine Wochenbettbetreuung”

Wochenbettbetreuung steht auf der Kippe

 

Ihr Lieben,

zwischen all der Weihnachtsliebe gibt es ein ganz besonders Thema das mir sehr am Herzen liegt ! Die Hebammensituation in Deutschland.Gerade ist es an der Hebammenfront wieder etwas ruhiger geworden, das ist sehr schade, denn wir sollten eigentlich alle immer und immer wieder darauf aufmerksam machen, das da gerade etwas wirklich nicht rund läuft! Ich hatte das große Glück bei beiden Geburten meine ganz wunderbare Hebamme Judith an meiner Seite gehabt zu haben.In meinem Fall war gerade die Nachsorge, nach Naels Geburt sehr Zeit intensiv. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte in der Zeit nicht diese ganz besondere 1zu1 Wochenbettbetreuung gehabt,wäre ich im schlimmsten Fall in eine Postnatale Depression verfallen. Alles rund um Schwangerschaft und Geburt ist eine so schöne aber auch eine bedürftige Zeit für Mutter und Kind. In keiner Lebensphase sind Leben und Tod so dicht miteinander verwoben. Wir haben das Glück in einer Zeit zu leben in der wir all die Medizinische Unterstützungen und Möglichkeiten haben um das schlimmste zu vermeiden, doch komme ich nicht umhin mich zu fragen,ob wir nicht gerade im Begriff sind einen großen (Rück)Schritt in die falsche Richtung machen. Ohne unsere Hebammen, die uns alle in die Welt geholt haben, hätte der eine oder andere es vielleicht nicht so gut geschafft in die Welt geboren zu werden.

Wenn wir nicht alle gemeinsam anfangen etwas zu tun, sieht es in einigen Jahren nicht mehr so gut gut für den wichtigen Beruf der Hebamme und im Umkehrschluss auch für unsere Enkelkinder!

Ich für meinen Teil überlege mir gerade ganz genau ob ich unter all diesen Umständen noch ein drittes Kind bekommen möchte(und all die anderen Gründe die dafür oder dagegen sprechen findet ihr hier(klick ).Schon bei der letzten Geburt vor zwei Jahren die beunruhigenden Zustände am eigenen Leib erleben müssen, wenn es in den Kliniken nun noch schlimmer wird und die Wochenbettbetreuung Stück für Stück auch noch durch Wochenbettambulanzen ersetzt werden soll, dann sehe sehr viel unglückliche Mütter und Kinder in den nächsten Jahren.

Ich habe vor einigen Wochen ein Interview mit der LILLYDOO-Hebamme Sissi Rasche gemacht, viele von euch kennen sie wahrscheinlich schon, denn sie ist nicht nur  meisten Berliner Blogger Babys auf die Welt gebracht sondern steht auch unserem Lieblings Windeln LILLYDOO mit Rat und Tat zur Seite! Für alle die noch nicht so drin sind im Thema kommen hier mal einige Antworten.

Lillydoo: Interview mit Sissi Rasche

Wochenbettbetreuung

1.Die Wochenbettbetreuung soll abgeschafft werden! Was ist Dein Gefühl dazu? Aus Sicht einer Frau, Mutter und Hebamme?

Die Wochenbettbetreuung wird nicht im eigentlichen Sinne abgeschafft. Vielmehr wird sie für uns Hebammen zunehmend so unattraktiv gestaltet, dass eine intensive Betreuung, wie viele Frauen sie sich wünschen, quasi unmöglich ist. Aus meiner Sicht wird die Wochenbettbetreuung nicht genügend honoriert – auch im Hinblick auf die Vergütung. Das führt dazu, dass es immer weniger Hebammen gibt. Ohne eine ausführliche Wochenbettbetreuung durch eine Hebamme wird es einer Mutter aber gar nicht mehr möglich sein, das Wochenbett richtig genießen zu können. Das ist so schade! Denn die eigentliche Idee des Wochenbettes ist es doch, dass die Mutter und ihr Baby sich gegenseitig ungestört kennenlernen können und viel Ruhe haben. Während des Wochenbettes sollten Mamas, bis auf kurze Gänge ins Bad oder auch an den Wickeltisch, hauptsächlich liegen, sich erholen, gepflegt werden und viel Haut-an-Haut-Kontakt mit dem Baby haben. Viele Mütter sind nach der Geburt ihres Kindes auch rein körperlich gar nicht in der Lage, das Haus zu verlassen, um eine Ambulanz aufzusuchen und sich Rat einzuholen. Es kommen anfangs so viele Fragen auf, da ist es einfach schön, eine Hebamme an der Seite zu haben, die einen kennt und der man vertraut. Für Frauen, die beispielsweise unter einer Wochenbettdepression leiden, wird es zukünftig noch schwieriger werden, wenn sie sich nicht mehr an ihre vertraute Hebamme wenden können. Ich würde es daher sehr bedauern, wenn es künftig nur noch Wochenbettambulanzen geben würde, weil die komplette Familie dann einfach nicht mehr so persönlich und intensiv betreut werden würde.

2.Wenn ich mir vorstelle das es in den nächsten Jahren einfach gar keine Wochenbettbetreung bzw. gar keine Betreuung von Hebammen während der Schwangerschaft geben soll, wird mir ehrlich gesagt  ganz anders. Ich sehe förmlich die Anzahl von postnatalen Depressionen, nur kurz stillenden Müttern und Kindern, die nicht mehr in Ruhe mit ihren Müttern im Wochenbett ankommen, steigen. Was denkst Du ist das größte Problem an Wochenbettambulanzen und könntest Du kurz erläutern was sich hinter diesem Begriff verbirgt.

Wochenbettambulanz bedeutet, dass Eltern eine Ambulanz aufsuchen und dort Hilfe von einer Hebamme in Anspruch nehmen können, auch wenn sie keine Wochenbettbetreuung zu Hause in Anspruch nehmen. Problematisch ist allerdings, dass frischgebackene Mamas viel Ruhe brauchen und die Zeit nicht in der Ambulanz, sondern bestenfalls im Bett verbringen sollten. Um sich in Ruhe von der Geburt erholen zu können, braucht eine frischgebackene Familie Unterstützung. Und die kann eine Hebamme leisten. In den ersten Tagen nach der Geburt besuche ich Mama und Baby deshalb täglich. Ich verbringe bei jedem Wochenbettbesuch circa eine Stunde bei der Familie zu Hause – bei Bedarf auch deutlich länger. In dieser Zeit zeige ich Frauen beispielsweise, wie sie ihr Baby stillen können. Ohne eine ausführliche Hebammenbetreuung würden Frauen sicherlich weniger stillen und schneller abstillen, denn weder der Kinderarzt noch Hebammen in der Hebammenambulanz haben die Zeit, ihnen das Stillen richtig zu zeigen. Es gibt natürlich auch Frauen, bei denen alles problemlos funktioniert und welche keine Hebamme brauchen, aber das ist nicht die Norm, sondern eher selten.

3.Warum ist das Wochenbett so wichtig für Mutter und Kind?

Das Wochenbett ist nach meinem Empfinden sehr, sehr wichtig und eine ganz besondere Zeit für die neue Familie. Insbesondere die ersten zehn Tage nach der Geburt sind von besonderer Bedeutung, sowohl für die Rückbildung und als auch für die Wundheilung und natürlich für das Stillen. Das Wochenbett soll Mama und Baby in dieser wichtigen Zeit die nötige Ruhe und Geborgenheit geben. Die Zeit während des Wochenbetts können Mama und Baby in engem Haut-an-Haut-Kontakt und abgeschirmt von der Außenwelt im Bett verbringen. Gleichzeitig ermöglicht das Wochenbett der ganzen Familie, sich an die neue Konstellation zu gewöhnen und sich einzuspielen. Bestenfalls bekommt die Mutter in dieser Zeit Unterstützung von ihrer Hebamme und gegebenenfalls von einer Mütterpflegerin, falls die Familie nicht helfen kann. Meiner Erfahrung nach haben Frauen, die während des Wochenbetts intensiv betreut werden, weniger Schwierigkeiten sich in ihrer neuen Rolle zurechtzufinden und sind dadurch auch viel entspannter. Dies überträgt sich auch auf das Baby. Ich empfehle deshalb allen Frauen, diese Zeit ausgiebig zu nutzen, um sich richtig auszuruhen, sich in Ruhe kennenzulernen und behutsam in den neuen Lebensrythmus zu finden.

4.Es gibt mittlerweile eine Menge an Petitionen, viele Artikel online und in Magazinen aber anscheinend kommt es bei den Politikern nicht an. Was denkst Du, was könnte man machen?

Ich finde es persönlich sehr schade, wie sich die gesamte Situation gerade entwickelt, denn das Problem besteht leider schon eine ganze Weile. Ich bin der Meinung, dass sich erst etwas ändern kann, wenn die Missstände in der Politik Gehör finden. Offensichtlich ist das bisher noch nicht der Fall. Vielleicht ist die Versorgung durch Hebammen dafür immer noch zu gut. Natürlich möchten wir die Politik wachrütteln – aber doch nicht auf Kosten der Frauen, die wir betreuen.

5.Ich finde es ist an der Zeit ein Zeichen zu setzen, denn wir sind alle einmal mit der Hilfe einer Hebamme geboren! Ich denke wir müssen all diesen Hebammen etwas zurückgeben. Hast Du eine Idee?

Es wäre schön, wenn es eine Möglichkeit geben würde, ein Zeichen zu setzen. Ein Streik wäre vielleicht ein wirksames Mittel – aber wir haben einen Beruf, der so nah am Menschen ist, dass man nicht einfach streiken kann. Alle anderen Versuche haben bisher leider nicht funktionert. Was (werdende) Eltern konkret tun können: sich weiter konsequent bei den Krankenkassen darüber beschweren, dass sie keine Hebammenbetreuung finden. Das würde den Notstand vielleicht noch verdeutlichen und endlich dazu führen, dass etwas passiert.

6.Gibt es aus Deinem Hebammenalltag eine Geschichte die Du erzählen magst? Eine Geschichte die ohne Deine  Wochenbettbetreuung nicht so gut ausgegangen wäre?

Da gibt es sehr viele Geschichten zu erzählen. Ich betreute beispielsweise vor Kurzem eine Frau, die ohne meine Beratung wahrscheinlich nicht natürlich geboren hätte. Ihr hätte einfach die notwendige Aufklärung gefehlt. Ich habe die junge Familie auch nach in der ersten Woche nach der Geburt täglich fast zwei Stunden besucht, weil beide Elternteile mit der neuen Situation überfordert und auf meine Hilfe, zum Beispiel beim Stillen, angewiesen waren. Ich bin der Meinung, dass viele frischgebackene Familien mit ihren Problemen alleingelassen wären, wenn keine vertraute Hebamme an ihrer Seite wäre. Dann würden vermutlich öfter Probleme nicht erkannt oder ignoriert werden.

7.Welche Alternativen gibt es für werdende Mütter wenn sie sich auch in Zukunft eine 1 zu 1 Betreung von der Schwangerschaft bis zur Geburt und auch in der Wochenbettzeit wünschen?

Meiner Meinung nach gibt es leider keine Alternative. Wenn eine Mutter sich eine 1 zu 1 Betreuung wünscht, ist es daher ratsam, sich frühzeitig um eine Hebamme zu kümmern. Am besten bereits mit positivem Schwangerschaftstest.

8.Wo siehst du Dich und Deine Arbeit als Hebamme in 10 Jahren?

Ich sehe mich weiterhin als Hebamme. Ich möchte auch in Zukunft Geburten betreuen, eine Wochenbettbetreuung und Schwangerenvorsorge anbieten. Dafür schlägt mein Herz und daher werde ich das auch noch in zehn Jahren machen. Ich fürchte allerdings, dass – falls sich nichts ändert – immer mehr Hebammenleistungen selbst finanziert werden müssen. Solch eine Entwicklung wäre natürlich sehr schade!

Eine letzte Frage: Was wünschst Du Dir?

Ich möchte weiterhin als Hebamme arbeiten und ich möchte dafür endlich fair bezahlt werden. Zudem wünsche ich mir für jede Frau eine Hebamme, die zu ihr passt und die genau die Bedürfnisse deckt, die sich diese Frau wünscht.

Vielen lieben Dank liebe Sissi für all diene Antworten und Deine Zeit !

Wenn  ihr etwas tun möchtet dann schaut auf folgenden Seiten vorbei !

Motherhood

Unsere Hebammen

Hebammen für Deutschland

Noch mehr Texte die nicht durch einen rosarote Brille blicken findet ihr auf der Seite  der Hebamme Anja Constance Gaca die gemeinsam mit ihrem Mann das Blog “Von guten Eltern schreibt”  Es  sind alles sehr lesenswerte Artikel zu dem Thema .

Die Schwangeren und Mütter werden Probleme bekommen“(klick)

Familienplanung abgeschlossen ? (klick)

Babyboom oder geburtshilfliche Unterversorgung?(klick)

 

Dieser Artikel ist in Kooperation mit Lillydoo  entstanden, vielen dank das ihr dieses wichtige Thema unterstützt !

3 Kommentare

  1. Hallo Rebecca,
    ein schönes Interview – und so wichtig! Auch wir haben uns neulich, gemeinsam mit meiner Hebamme Julia Gedanken darüber gemacht, wie wieder mehr Leute Lust auf die Ausbildung “Hebamme/ Geburtshelfer” und welche Auswirkungen die ganzen Klinikschließungen haben könnten. Nachlesen kannst du das hier:
    https://berndgonzales.blogspot.de/2017/11/5-fragen-die-hebamme-julia.html
    Irgendwann muss doch auch mal in der Politik ankommen, wie wichtig eine gute Betreuung ist?!
    Liebe Grüße, Raphaela

  2. Hallo Rebecca,

    schön, dass du darüber schreibst. Zum Glück hatte ich bei meiner ersten Tochter (geb. 2015) eine Hebamme, gerade beim ersten Kind braucht man Hilfe und Tipps. Jedoch Anfang diesen Jahres hatte ich bei meiner zweiten Tochter keine Hebamme. Ich hatte sehr viele Hebammen kontaktiert, aber nur Absagen erhalten. Dies fand ich sehr schade. Wie gesagt zum Glück hatte ich 1,5 Jahre zuvor eine Hebamme und wusste wie ich zurechtkomme. Schönen Abend und liebe Grüße aus Karlsruhe. Manuela

  3. Hallo Rebecca,

    dein Artikel ist sehr interessant, besonders weil die in Deutschland geplante Situation hier in Italien bereits Realität ist. Fakt ist, geboren wird trotzdem, gestillt auch. Ob sich die Frauen hier eine Hebamme wünschen würden, die eine Bezugsperson ist und täglich nach Hause kommt? Na klar! Es ist schöner, bequemer, gibt mehr Sicherheit und macht sicher manches leichter. Andere sind aber auch sehr zufrieden mit dem gebotenen Service und fänden die intensivere Betreuung nicht unbedingt nötig.

    Ganz klar ist zu sagen, dass man sich besser organisieren muss, stärker auf sein Netzwerk angewiesen ist und durch privat bezahlte Leistungen (private Hebamme, Stillberaterin etc) die öffentlichen Leistungen aufstocken muss. Trotzdem finde ich es nicht richtig, ein Angst-Szenario zu schaffen – die Wochenbett-Betreuung ist nicht hoch genug zu wertschätzen und ich persönlich hätte sie gut gebrauchen können. Andererseits ist auch die Frage, ob sie in ihrer Kosten-Intensität gesamtgesellschaftlich zu rechtfertigen ist oder ob man sich, wie in den meisten europäischen Nachbarländern, diese Leistungen privat hinzukauft. Wichtig finde ich, dass es weiterhin diese freiberuflichen Hebammen geben kann – das alte Problem mit den wesentlich zu teuren Versicherungen. Aber grundsätzlich, vielleicht ist das beruhigend zu wissen, kommen viele Familien auch mit weniger gut aus. Ich denke, es ist wichtig, eine ehrliche Unterscheidung zwischen “nice to have” und “existenziell wichtig” zu treffen – diese Forderungen lassen sich vielleicht auch leichter durchsetzen.

    Herzliche Grüße in den Norden,
    Johanna

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